| Veranstaltung: | LMV Bremen |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 2. Anträge |
| Antragsteller*in: | Anne Schierenbeck |
| Status: | Eingereicht (ungeprüft) |
| Angelegt: | 12.09.2016, 16:49 |
A17: Divest Now! Bremisches Geld unter Einbeziehung ethischer und ökologischer Kriterien noch sicherer anlegen.
Antragstext
Divest Now! Bremisches Geld unter Einbeziehung ethischer und ökologischer
Kriterien noch sicherer anlegen.
Wir GRÜNE wollen eine Zukunft ohne fossile Energie. Kohlekraft ist der
Klimakiller Nummer eins – sie befördert den Klimawandel und verschmutzt unsere
Luft. Wir GRÜNE wollen deshalb so schnell wie möglich aus der Nutzung von Kohle
und anderen fossilen Energieträgern aussteigen. Dieser Ausstieg kann nur
gelingen, wenn der Staat, Verbraucher*innen und institutionelle Anleger wie
Versicherungen, Pensions- und Investmentfonds etc. nicht mehr in fossile
Energien investieren. Wir GRÜNE sagen deshalb: Divest now!
Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig, dass sich die öffentliche Hand
nicht zuletzt aufgrund ihrer Vorbildfunktion aus der Finanzierung fossiler
Energieträger verabschiedet.
Wir fordern den Senat auf, einen Katalog nachhaltiger und fairer Anlageregeln zu
entwickeln. Dieser soll verbindlich in die Anlagerichtlinie aufgenommen werden,
die z.B. für die Anstalt zur Bildung einer Rücklage für Versorgungsvorsorge der
Freien Hansestadt Bremen“ (AVV) und das Sondervermögen „Versorgungsrücklage des
Landes Bremen“ gilt. Außerdem ist unser Ziel, dass die nachhaltigen und fairen
Anlagerichtlinien auch von den Beteiligungen des Landes und der beiden Kommunen
angewendet werden.
Bei der Weiterentwicklung der Anlagekriterien sollen neben dem Ausschluss von
Investitionen in Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf Extraktion, Veredelung
oder dem Vertrieb von nuklearen oder fossilen Energieträgern sowie der
Energieerzeugung mit diesen Energieträgern beruht, auch ökologische, ethische
und soziale Kriterien berücksichtigt werden, z.B. der Verzicht auf Kinderarbeit
sowie der Ausschluss von Herstellung und Verkauf von Rüstungsgütern.
Begründung
In den letzten Jahren hat sich zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass Investitionen in ökologisch oder ethisch problematische Konzerne besonders risikoreich sind. Im Fall ökologischer und ethisch fragwürdiger Geschäftspraktiken von Unternehmen besteht die Gefahr, dass eine strengere Gesetzgebung, eine schärfere staatliche Überprüfung der Standards oder ein medienwirksamer Skandal auch die Investitionen der Anleger entsprechend entwertet.
Unternehmen, die Kohle, Öl oder Gas fördern, sind zusätzlich von einem Platzen der Kohlenstoffblase bedroht. Wenn das in Paris noch einmal von der Staatengemeinschaft bekräftigte 2-Grad-Ziel tatsächlich eingehalten werden soll, dürften bis Ende des Jahrhunderts noch maximal 565 Gt CO2-Equivalente in die Atmosphäre emittiert werden. Dementsprechend begrenzt ist die maximale Menge von fossilen Rohstoffen, die noch verbrannt werden darf. Alleine die 100 größten Konzerne, die noch auf die fossile Energiewirtschaft setzen, haben in ihren Reserven, die entscheidend für die Unternehmensbewertung sind, deutlich mehr Kohlenstoffvorräte verbucht. Diese Situation führt zu einem gefährlichen Zielkonflikt: Entweder verbrauchen diese Unternehmen ihre Reserven und die Erderwärmung wäre nicht auf zwei Grad zu begrenzen, oder ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen setzen sich durch und machen damit einen Teil der Reserven wertlos. Dann würde die Kohlenstoffblase platzen und nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Anleger würden viel Geld verlieren. Der stark schwankende und aktuell sehr niedrige Rohölpreis macht das Geschäft mit fossilen Energien zusätzlich riskant.
Die Divestment-Bewegung hat dieses Problem erkannt. Im Zuge des Divestments ziehen Anleger Schritt für Schritt ihre Gelder aus fossilen Energien ab, um so langsam den Druck aus der Blase zu nehmen und das Risiko von Kapitalverlusten zu minimieren. Eine Vielzahl von Akteuren hat sich der Bewegung angeschlossen und schon entsprechend desinvestiert. Dazu zählen die großen Versicherungskonzerne Axa und Allianz, eine Vielzahl von Hochschulen aus dem anglo-amerikanischen Raum, der Rockefeller Trust, der norwegische Pensionsfonds als größter staatlicher Anleger, aber auch Kommunen wie Stockholm und Kopenhagen. Als erste deutsche Kommune hat im letzten Jahr die Stadt Münster ihr Geld aus Fonds mit fossilen (und auch aus ethisch fragwürdigen) Unternehmen abgezogen. Im Juni 2016 hat auch das Berliner Abgeordnetenhaus einen entsprechenden Beschluss gefasst, Weltweit haben sich mehr als 50 Städte zum Divestment entschieden. Diese Beispiele machen deutlich, dass Divestment in der Praxis, auch für deutsche Kommunen, möglich ist. Zudem haben nachhaltige Aktienfonds in den letzten Jahren durchschnittlich nicht weniger Rendite abgeworfen als herkömmliche Vergleichsindizes.
Bremen soll sich dieser Bewegung anschließen und sein – zugegeben überschaubares - Vermögen unter Einbeziehung ethischer und ökologischer Kriterien noch sicherer anlegen. Unsere „Politik des Einkaufskorbes“ wird so auf Finanzprodukte ausgeweitet und unsere Ansprüche als „Hauptstadt des fairen Handels“ unterstrichen. Zudem führt das Divestment die Bremischen Klimaschutzbemühungen auch auf haushaltspolitischer Ebene konsequent fort.
Es geht dabei zunächst hauptsächlich um die Rücklagen für die Altersvorsorge: Die Freie Hansestadt Bremen verfügt mit dem Sondervermögen Versorgungsrücklage des Landes Bremen (SVR) – gesetzlich vorgeschriebene Rücklage - sowie mit der Anstalt zur Bildung einer Rücklage für Versorgungsvorsorge der Freien Hansestadt Bremen (AVV) - freiwillige Versorgungsvorsorge - über zwei getrennte Versorgungsfonds.
Diese Versorgungsfonds werden durch die Senatorin für Finanzen verwaltet. Die Gesetze zur Bildung des SVR und der AVV regeln, dass Mittel nur in verbriefte Forderungen im Sinne des § 1807 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches oder in Produkte bei Emittenten mit vergleichbarer Bonität angelegt werden dürften. Näheres, insbesondere zur Vergleichbarkeit der Bonität, ist in den Anlagerichtlinien für die Versorgungsfonds geregelt.
Sicherheit ist dabei das oberste Gebot. Noch wichtiger als eine hohe Rendite ist es beispielsweise für Pensionsrückstellungen, den Kapitalgrundstock inflationsbereinigt zu erhalten. Schon heute gelten in Bremen daher vergleichsweise restriktive Anlagerichtlinien: So wurden bislang hauptsächlich Wertpapiere inländischer öffentlich-rechtlicher Emittenten und Landesbanken, von Sparkassen und Genossenschaftsbanken sowie wie in geringem Umfang von deutschen Privatbanken gekauft. Allerdings wird bisher nicht geprüft, welche Anlagestrategien diese Institute verfolgen. Wertpapiere ausländischer Emittenten sind nicht erworben worden. Eine Anlage in Wertpapier- oder Immobilienfonds, Unternehmensanleihen, Aktien oder Rohstoffen sind gemäß den Anlagerichtlinien schon heute nicht zulässig.
Die Themen Ökologie, Ethik und Nachhaltigkeit rücken auch bei den Geschäftsbanken zunehmend in den Blickpunkt. Bei Weiterentwicklung dieses Geschäftsfeldes könnten in Zukunft auch vermehrt Direktanlagen (Schuldverschreibungen) bei solchen Banken erfolgen, die ökologische, ethische und soziale Kriterien bei ihren eigenen Anlagen berücksichtigen.
Grob lassen sich vier Grundsätze, die Anbieter nachhaltiger Geldanlagen anwenden, unterscheiden: Einige arbeiten nach dem "Best in Class"-Prinzip; andere greifen auf Positiv- oder Negativkriterien zurück, und wieder andere versuchen, über ihr Stimmrecht als Aktionär Einfluss zu nehmen. Oftmals werden die Ansätze auch kombiniert. Sofern die Versorgungsvorsorge ihre Anlagestrategie auf Anlageformen wie z.B. Unternehmensanleihen, Aktien oder Fonds ausweitet, könnten diese als Maßstab für die Bewertung herangezogen werden.
· Best in ClassDie Anbieter suchen Firmen aus, die in ihrer Branche in Sachen Umwelt- und/oder Sozialstandards eine Vorreiterrolle einnehmen. Keine Branche wird von vorneherein ausgeschlossen. Deshalb können auch Wirtschaftszweige wie die Atom- oder die Rüstungsindustrie mit in einem Portfolio landen. Dies mag auf den ersten Blick verwundern. Dahinter steckt aber die Idee, dass so auch die weniger engagierten Branchenvertreter animiert werden, es dem "klassenbesten" Unternehmen gleich zu tun und ihr soziales, ethisches und ökologisches Engagement voranzutreiben. Langfristig soll so die gesamte Branche nachhaltiger werden. Plus für den Anleger: eine breite Risikostreuung. Verluste in einem Wirtschaftszweig können durch Gewinne in einem anderen ausgeglichen werden.
· PositivkriterienNach bestimmten Kriterien wird festgelegt, in welche nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen und Branchen investiert wird. Beispielsweise können dies Gesellschaften aus dem Bereich der erneuerbaren Energien sein oder Firmen, die sich durch ein besonderes soziales Engagement auszeichnen. Nachteil für Anleger: Je enger der vorgegebene Rahmen für Investments, desto höher ist die Gefahr, bei einer wirtschaftlichen Flaute hohe Verluste zu erleiden.
· Negativ- oder AusschlusskriterienEs wird bestimmt, in welche Unternehmen oder Branchen kein Geld fließt. Sehr häufig wird beispielsweise die Produktion von Atomenergie, Waffen, Tabak und Alkohol ausgeschlossen. Oder es bleiben alle Firmen außen vor, die Kinder arbeiten lassen oder sich auf dem Gebiet der Gentechnologie engagieren. Wie bei den Positivkriterien besteht das Problem, dass eine zu strenge und damit enge Auswahl ein hohes Risiko birgt.
Unterstützer*innen
- Harald Klussmeier
- Michael Kruse
- Frank M. Rauch
- Johanna Mohrmann
- Dietmar Bothe
- Ken Oduah
- Wolfram Schmalz
- Sebastian Rohe
- Ralph Saxe
- Kerstin Spohler
- Nima Pirooznia
- Kai Wargalla
- Jens Schabacher
- Jasper Meya
- Irmgard Lindenthal
- Thomas Schäfer
- Jens Schabacher
- Hannes Behrens
- Michael Labetzke
- Florian Kommer
- Kirsten Kappert-Gonther
- Maximilian Thieme
- Søren Brand
- Landesvorstand